An einem Sonntagnachmittag schellte die Haustürklingel. Als ich öffnete, stand eine Frau draußen und erzählte, sie wohne ein paar Straßen weiter und sei untröstlich, weil ihr Angorakätzchen vor drei Tagen entlaufen und noch nicht wieder aufgetaucht sei. Jetzt frage sie überall herum, ob jemand ihren Liebling gesehen habe. »So sieht sie aus«, sagte sie und hielt uns ein Bild entgegen. Nein, wir hatten sie nicht gesehen. »Sollte sie hier auftauchen, bitte benachrichtigen Sie mich«, bat die Frau und ging traurig weiter.
Nicht nur Tiere laufen weg, sondern auch Menschen. Kinder laufen ihren Eltern weg, Eltern verlassen ihre Kinder, Männer ihre Frauen, Frauen ihre Männer. Für die »Zurückgebliebenen« ist das meist eine Katastrophe. Sie haben den liebsten Menschen verloren, den sie hatten, und manche leiden daran lebenslang. Dieser Verlust kann nur dadurch beendet werden, dass der »Entlaufene« wieder zurückkommt.
Was nur wenige wissen: Auch Gott ist in dieser traurigen Lage. Er hat Menschen geschaffen, damit sie einträchtig mit ihm leben sollten, aber sie haben ihn verlassen und sind damit für ihn verloren. In dem Bibelabschnitt, dem der heutige Tagesvers entnommen ist, erzählt Jesus Christus das ergreifende Gleichnis vom verlorenen Sohn. Dieser verließ seinen Vater, zog in die Welt, um sie in vollen Zügen zu genießen, und landete zuletzt bei den Schweinen. Doch der Vater konnte sich mit diesem Verlust nicht abfinden und wartete sehnsüchtig, bis der Sohn, wenn auch verkommen und zerlumpt, wieder zurückkehrte. So wartet auch Gott bis heute voller Sehnsucht auf Menschen, die von dem Schweinetrog dieser Welt durch Jesus Christus zu ihm zurückkehren. Otto Willenbrecht