»Mist, Zug verpasst!« Doch als der enttäuschte Fahrgast kurze Zeit später von dem tragischen Unglück seines verpassten Hochgeschwindigkeitszuges hörte, lief ihm ein Schauer über den Rücken. Er fühlte sich, wie wenn er das zweite Mal geboren worden wäre. – Solch einen Bericht las ich in der Presse, als das schlimmste Zugunglück in Deutschland aufgearbeitet wurde. Heute vor 20 Jahren kamen 101 Menschen ums Leben. Aufgrund eines defekten Radreifens entgleiste der ICE »Wilhelm Conrad Röntgen« und donnerte mit etwa 200 km/h gegen einen Brückenpfeiler. Die zusammenstürzende Betonbrücke begrub einen Teil des Zuges und bildete mit ihm eine Wand, sodass die hinteren Waggons wie eine Ziehharmonika zusammengefaltet wurden. Bislang war der kleine Ort Eschede in Niedersachsen weithin unbekannt gewesen. Seitdem ist er Namensträger dieser Katastrophe.
Manchmal läuft unser Leben anderes als gedacht. Die Menschen im Zug hatten sich Pläne für den Tag gemacht und wurden jäh aus ihren Träumen gerissen, viele sogar aus dem Leben. Andere dagegen – wie der eingangs beschriebene Fahrgast – waren hinterher froh, dass ihre Pläne nicht in Erfüllung gingen. Wir Menschen wissen nicht, was kommen wird und was wirklich gut für uns ist. Jakobus, ein Halbbruder von Jesus, ermahnt die selbstsicheren Leser seines Briefes: »Nun also, die ihr sagt: Heute oder morgen wollen wir in die und die Stadt gehen und dort ein Jahr zubringen und Handel treiben und Gewinn machen – die ihr nicht wisst, wie es morgen um euer Leben stehen wird; denn ihr seid ein Dampf, der eine kleine Zeit sichtbar ist und dann verschwindet – statt dass ihr sagt: Wenn der Herr will, werden wir sowohl leben als auch dieses oder jenes tun« (Jakobus 4,13-15). Thomas Pommer