Es gibt wohl keinen Menschen, der solche Erlebnisse nicht kennt, Situationen, in denen man in die Luft gehen könnte und vor lauter Ärger gar keinen Landeplatz zu finden scheint. Selbst nachdem der erste Zorn verraucht ist, hört man es noch in sich, dieses dumpfe Grollen, das einen nicht zur Ruhe kommen lässt und an den Nerven frisst. Es bedarf gar keiner langen Suche nach Beispielen für solche Streitigkeiten. Die Anwaltskanzleien schießen wie Pilze aus dem Boden und Gerichtstermine haben mittlerweile lange Wartezeiten. Es wimmelt förmlich von zwischenmenschlichen Beziehungen, die so von Zorn zerfressen wurden.
Gott warnt uns vor den sichtbaren und unsichtbaren Schäden der Unversöhnlichkeit. Wenn wir Schuld nicht vergeben, dann öffnen wir der zerstörerischen Absicht des Teufels Fenster und Türen. Gott gibt uns die klare Anweisung, nicht im Streit auseinander zu gehen und sich »zur Ruhe zu begeben«, die dann keine echte sein kann. Wer nicht vergibt, wird selbst schuldig.
Wie aber sieht es mit der Schuldvergebung bei wahrhaft tiefen Verletzungen aus? Ist da nicht die Grenze des Zumutbaren erreicht? Gott lässt uns nicht hilflos dieser Herausforderung gegenüber treten. Wir selbst wären nicht dazu in der Lage, ehrlich und aus tiefstem Herzen zu vergeben, wenn uns Gott nicht so viel vergeben hätte. Wer die wirkliche Dimension dessen erfasst, wie viel Gott ihm vergeben hat, der kann auch dann vergeben, wenn er tief verletzt worden ist. Dann kann man über Mauern springen, deren Überwindung einem vorher unmöglich erschienen ist. Antje Röhlig