Manche denken, Sünde müssten die Pfarrer erfunden haben, um sich selbst einen Job zu erhalten. Aber es gab Sünde schon lange, bevor man an Pfarrer und Kirchen dachte. Wer aber redet heute noch über Sünde? Die tut man, aber man spricht nicht darüber. Wie kommt das? Wir sind doch sonst so stolz, alles sagen zu können und keine Tabus mehr zu kennen.
Nun, zur Grundausstattung jedes Menschen gehört das Gewissen. Hat man sich aber entschieden, dem Egoismus und dem Augenblicksvorteil zu dienen, ist dies Gewissen nichts als ein ärgerliches Hindernis, das möglichst vollständig aus dem Weg geräumt werden muss. Eine sehr wirkungsvolle Methode ist das Totschweigen, wie jeder weiß. Eine andere das Lächerlichmachen. So kommt es, dass man entweder gar nicht von Sünde redet, oder sie zur Bagatelle macht. Man »sündigt« mit einem Stück Torte oder man »versündigt sich« an der Natur. Eine Landwirtschaftskammer kommentiert auf ihrer Webseite den »Sündenfall«: Adam sei offensichtlich völlig ahnungslos gewesen. Nur so lasse sich erklären, dass Eva ihn mit einem sauren, holzigen Wildapfel verführen konnte! Die heutigen Apfelsorten, durch umfangreiche Züchtungsarbeit entstanden, seien dagegen immer wieder »eine Sünde wert«. Und schließlich das altbekannte Wortspiel von den »Verkehrssündern«, die wissen, dass sie in Flensburg aufgeschrieben sind.
Es gibt aber noch eine Sünderkartei, die im Himmel geführt wird und nach der jeder einmal ein ewiges und endgültiges Urteil empfängt. Davon redet man nicht gern, kann es aber dadurch auch nicht ändern. Da hilft nur: zu seiner Sünde stehen und Gott um Jesu Christi willen um Vergebung bitten. Dann wird alles gelöscht.
Hermann Grabe