Ist es nicht faszinierend, auf einem hohen Berg zu stehen, und ins tiefe dunkle Tal zurück zu blicken, während die Sonne aufgeht? Vergessen sind die Strapazen des Aufstiegs, und alles ist nur licht und klar.
Viele haben das schon sehr intensiv erlebt nach einer schweren Krankheit, nach einer höchst angespannten Finanzsituation, oder wenn in einer Ehe oder Familie Friede und gegenseitiges Verständnis füreinander zurückgekehrt sind, nachdem alles zerbrochen zu sein schien. Dabei hat jeder sein eigenes Maß an Belastbarkeit und Tragkraft. Reinhold Messner hat ohne Atemgerät den Mount Everest, den höchsten Berg der Welt, erstiegen und anderen droht der Herzinfarkt, wenn sie die drei Stockwerke zu ihrer Wohnung hinaufgehen müssen.
Das zu wissen ist gut, und bewahrt uns vor lieblosen Urteilen über das Verhalten anderer. Was wir selbst vielleicht »mit links« können, hat unseren Nachbarn die höchste Kraftanstrengung gekostet. Andererseits tröstet diese Erkenntnis auch, wenn wir kraftlos sind. Gott weiß uns richtig einzuschätzen, einerlei, was die Mensch rings umher meinen. Und er ist es auch, der uns immer wieder Befreiung und Sieg schenkt. Er ist es, der uns die Sonne aufgehen lässt und uns auf überwundene Täler zurückschauen lässt. Leider meinen wir in einer solchen Situation nur allzu schnell, selbst dies neue Glück erzwungen zu haben. »Sauber hingekriegt!« »Was für ein toller Hecht bin ich doch!« »Das soll mir mal einer nachmachen!« »Ja, Können kommt von Kunst!« und was es da noch so alles gibt. Das sagen wir natürlich nicht immer laut, aber nichtsdestoweniger sind wir davon überzeugt. Was wohl Gott davon hält?
Hermann Grabe