Sie wurde in die Mitte des Tempelplatzes gezerrt. Ihr Herz pochte vor Angst. Sie wusste, was für eine Strafe auf Ehebruch stand: Steinigung. Seitdem die Römer das Land besetzen, war es den Juden allerdings nicht erlaubt, die Todesstrafe selber auszuführen. Aber wenn sie in die hasserfüllten Gesichter blickte …
Da wurde sie vor einen Mann gestoßen. Das war doch Jesus, von dem überall gesprochen wurde! »Diese Frau haben wir im Ehebruch ergriffen. Mose hat uns geboten, Ehebrecher zu steinigen. Was sagt Du?« Plötzlich wurde es ganz still. Die Menge wartete gespannt auf eine Antwort. Und die Männer schielten immer wieder zu der Frau, die notdürftig versuchte, ihre Kleider zusammenzuhalten. Jesus schwieg, bückte sich und schrieb mit dem Finger auf die Erde. Dankbar sah die Frau, wie sich die Blicke von ihr abwandten. »Was sollen wir mit ihr machen?«, kam wieder die Frage.
Inzwischen war der Frau klar, was für ein Spiel hier gespielt wurde. Es ging gar nicht um sie, das Bauernopfer. Es ging um diesen Mann hier. Wenn er das Todesurteil forderte, konnten sie ihn bei den Römern anzeigen. Wenn nicht, stellte er sich gegen die Gebote des Judentums.
Da richtete sich Jesus auf. Er sprach voller Autorität: »Wer von Euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein!« Wer von Euch ohne Sünde ist … Die älteren Männer senkten zuerst den Kopf und gingen. Dann legten die jüngeren die Steine weg und zerstreuten sich. Schließlich war die Frau mit Jesus allein. »Ist niemand da, der Dich verurteilt?« - »Niemand, Herr.« - »So verurteile auch ich Dich nicht. Gehe hin und sündige nicht mehr!«
Die Frau war frei. Der Einzige, der die moralische Autorität dazu hatte, hatte sie nicht verurteilt.
Elisabeth Weise