Für die Weihnachtsfeier wählten wir vergangenes Jahr ein Bühnenstück aus, um es mit den Kindern in der Gemeinde aufzuführen. Es handelte von der Gründung des sog. Rauhen Hauses in Hamburg durch Johann Hinrich Wichern, der von 1808 bis 1881 lebte. Beim Weihnachtsfest mit den im Rauhen Haus aufgenommenen Waisenkindern war ein Junge fortgelaufen. Während die Kinder schon Weihnachten feierten, machte sich Wichern auf den Weg, um den Jungen zu suchen und zurückzubringen. Das gelang ihm auch, und nun ging es darum, wie er für seinen Regelverstoß bestraft werden sollte. Wichern bezog die Kinder mit ein: Sie sollten eine angemessene Strafe vorschlagen und diese dem Ausreißer selbst mitteilen. Doch als der dann jämmerlich weinend in ihrer Mitte stand, waren sie spontan alle bereit, ihm zu vergeben. Wichern nutzte die Gelegenheit und erklärte den Kindern, dass dies der eigentliche Sinn von Weihnachten sei: damit uns unsere Sünden vergeben werden können und auch wir uns gegenseitig vergeben.
Von Herzen vergeben, das kann nur der, der auch erfasst hat, wie viel ihm selbst vergeben wurde. Der Herr Jesus erzählte dazu das Gleichnis von den beiden Schuldnern. Der erste von ihnen empfing Barmherzigkeit - er bekam seine riesengroße Schuld erlassen. Er selbst blieb dann aber gegenüber einem seiner eigenen Schuldner unbarmherzig und hart. So wurde ihm von seinem Gläubiger die riesige eigene Schuld erneut auferlegt und er landete im Gefängnis. Wer nicht bereit ist zu vergeben, wird den gleichen Druck zu spüren bekommen, den er mit seinem Groll auf einen anderen ausübt. Vielleicht liegt hier der Grund für so manche Last, die jemand bedrückend spürt.
Joachim Pletsch