Es sind schon ein paar Wochen Jagdzeit vergangen. Lange hatte ich auf den Rehbock gewartet. Zweimal zog er in ca. 120 m schräg vorbei. Ich dachte: »Dies ist meine Chance. Wenn er auf 100 m heran ist, drücke ich ab.« In meiner bisherigen Jägerkarriere habe ich schon vieles erfolgreich erlegt. Der Schuss knallte, der Bock machte einen Satz und verschwand im Gebüsch. Ich wartete, ging dann zu der Stelle, wo ich den Anschuss vermutete, fand aber nur ein paar Haare und wenige Tropfen Blut. Ein Streifschuss. Was sage ich dem Revierinhaber, in dessen Revier ich die Jagderlaubnis habe? Meine ersten Gedanken waren, nichts zu erzählen und alles zu verheimlichen. Keiner hat den Schuss gehört. Zudem hatte ich erst vor ein paar Wochen einen Rehbock verfehlt. Ich fürchtete um mein Ansehen.
Dem Gesichtsverlust zum Trotz schluckte ich meinen Stolz hinunter. Es ging um die Wahrheit und darum, dass der Bock irgendwo im Gebüsch liegen und kläglich verenden könnte. Ich rief den Revierinhaber an, der mit dem Hundeführer kam, um nachzusuchen. Es ging alles gut aus, und ich konnte ein gutes Gewissen behalten.
Ein anderes Wort für Sünde ist Zielverfehlung. Verfehlen wir unser Ziel (sündigen wir), entstehen Probleme mit unseren Mitmenschen und mit Gott. Durch meine Zielverfehlung hatte ich ein Problem mit meinem Revierinhaber. Wenn wir uns bewusst werden, dass wir versagt haben, ist es wichtig, richtig zu reagieren. Statt alles zu verbergen und zu verdecken, sollen wir unsere Zielverfehlung vor Gott und den Betroffenen bekennen. Dann werden wir mit gutem Gewissen fröhlich unserer Wege ziehen. Tun wir es nicht und vertuschen weiterhin alles, werden der Schatten und die Dunkelheit in unserem Leben zunehmen.
Dietmar Bauer