Lukas, der Evangelist, vergleicht das Geschehen auf dem Hügel Golgatha mit einem Schauspiel. Im griechischen Text steht das Wort »theoria«, die lateinische Übersetzung lautet »spectaculum«. Ein Schauspiel ist eine Dichtung, eine Theorie: Viele Ereignisse verdichten sich in einer kurzen Zeitspanne. So ist es auch an diesem Frühlingstag vor den Toren Jerusalems. Drei Männer werden auf grauenvolle Weise hingerichtet - zwei Schwerkriminelle und ein Mann, von dem sein Richter dreimal sagte: »Er ist unschuldig!« Mitten am Tag wird es stockdunkel. Der Mann am mittleren Kreuz stirbt zuerst. Aber er stirbt nicht aus Schwäche. Im Gegenteil: Er scheidet mit einem lauten Todesschrei aus dem Leben.
Die vielen Zuschauer werden nicht nur emotional erschüttert, sondern auch körperlich durch ein starkes Erdbeben. Der römische Schriftsteller Phlegon, der sich damals im Gebiet der heutigen Türkei aufhielt, beschreibt die Naturphänomene: ,,Es war eine große und bemerkenswerte Sonnenfinsternis. Die dunkelste, die je geschehen war.« Er benennt sogar die »sechste Stunde des Tages« als den Ausbruch der Finsternis und erwähnt »ein großes Erdbeben«. Wenn auch die vielen dramatischen Ereignisse an ein Schauspiel erinnern, so gibt es doch einen wesentlichen Unterschied zu einem Schauspiel: Was dort passierte, war kein Theater, keine bloße Theorie. Es war bitterer Ernst. Die Zuschauer schlagen sich als Zeichen der Rührung an die Brust. Den meisten geht es wie nach einem anrührenden Hollywood-Film. Man geht aus dem Kinosaal, von Emotionen aufgewühlt. Aber bald verblassen die Gefühle.
Was bedeutet uns dieser Mann am Kreuz? Bewegt er unsere Emotionen nur flüchtig wie eine Theatervorstellung, oder ist er unser Herr und Erlöser, an dem wir unser Leben ausrichten?
Gerrit Alberts