Steht man bei günstigem Wetter auf der Besucherplattform des Münchner Fernsehturms, so erkennt man weit im Sünden eine weiße Zackenlinie – die Alpen. Sie ist so schmal, dass man sie mit ausgestreckter Hand bequem durch den kleinen Finger verdecken kann. Kommt aber man näher an die Alpen heran, zum Beispiel zum Eibsee bei Garmisch, so erschrickt man vor der gewaltigen Steilwand der Zugspitze, die majestätisch in den Himmel ragt.
So geht es uns auch mit Gott. Sind wir weit von ihm entfernt, können wir ihn vielleicht »bei gutem Wetter« ein wenig erkennen. Sobald sich Wolken bilden, also Schwierigkeiten auftreten, ist er dann nirgends mehr zu entdecken.
Sind wir aber nah bei ihm, so erleben wir seine Größe und Güte und Treue in überwältigender Weise. Dabei wissen wir, dass er immer noch viel, viel größer ist, als wir je erahnen können.
Weil nun Gott so groß ist und wir völlig in seiner Hand sind, ist nur recht und billig, was wir in unserem Tagesspruch lesen. Aber können wir das – Gott lieben mit unserem ganzen Herzen, mit unserer ganzen Seele und mit unserem ganzen Verstand? Von sich aus kann das keiner und will es nicht einmal. Jeder hat sich selbst am meisten lieb.
Das muss aber nicht so bleiben. Vielen Millionen hat Gott schon gezeigt, dass er ihnen um seines Sohnes willen alle Schuld vergeben hat und nun ihr guter, weiser und mächtiger Vater ist. Sollte man den nicht lieb haben, mehr als alle guten Gaben, die aus seiner Hand kommen?
Ach, wenn das doch alle begreifen mögen!
Hermann Grabe