Heinz Schäfer erklärte unseren Tagesspruch einmal so: Kleine Kinder sind genauso wenig vollkommen wie Erwachsene, und sie denken auch zuerst an sich selbst. Der Unterschied besteht nur darin, dass sie ehrlicher sind, was ihre Motive angeht.
Da war der kleine Mark aus dem Mittagsschlaf erwacht und sah, dass sein größerer Bruder ein großes Glas Traubensaft trank. Gleich wollte er auch welchen. Leider war der alle, und seine Mutter versuchte, ihn mit einem Glas Orangensaft zu trösten. Er aber machte ein Gezeter und wollte unbedingt Traubensaft. Zur Überraschung der Eltern sagte auf einmal sein Bruder Peter: »Hier Mark, du kannst meinen Traubensaft haben. Ich trinke deinen Orangensaft.« Der Vater war darüber so erfreut, dass er seinen »Großen« beiseite nahm und ihn für seine Selbstlosigkeit lobte. Der aber sagte nur trocken: »Na, Papa, sein Glas war noch voll, und meins war schon halb leer.«
Das ist es, weshalb der Herr Jesus Christus die Kinder lobt und weshalb wir wie solche kleinen Kinder werden sollen. Sie sind nicht selbstlos; aber sie täuschen andere nicht, sie sind nicht immer brav; aber sie sagen um eines Vorteils willen nicht etwas anderes, als was sie meinen. Wie schnell allerdings diese Haltung auch bei Kindern vorbei ist, können wir an Peter lernen. Wir müssen vor Gott so ehrlich werden, wie kleine Kinder, wenn er uns helfen soll. Er durchschaut uns nämlich. Und wenn wir ihm etwas vormachen wollen, nimmt er den schrillen Missklang wahr, der sich aus dem Vergleich unserer Worte mit unseren wirklichen Motiven ergibt.
Es ist ein beruhigender und ein bestürzender Gedanke zugleich, dass Gott uns durch und durch kennt.
Hermann Grabe