Wunder geschehen heute noch; aber sie sind fast immer von an-
derer Art als damals, als der Herr Jesus Christus Tote auferweckte, Tausende speiste und unheilbar Kranke mit einem Wort gesund machte. Solche Wunder konnte man nicht rational erklären, man konnte sie schlimmstenfalls totschweigen. Sie waren die öffentliche Legitimation für den Anspruch Jesu, der Sohn Gottes zu sein.
Das ist heute anders. Erlebt einer etwas, was er persönlich für ein Wunder hält, so kommt sehr schnell ein anderer, der ihm erklären kann, dass alles ganz »natürlich« zugegangen ist.
Und wie ist es, wenn einer Gott für das Wunder der Bewahrung dankt, dass er den Zug verpasste und dadurch nicht das Flugzeug erreichte, das kurz nach dem Start abgestürzt ist? Hatte Gott die dreihundert Passagiere nicht im Blick? Und vielleicht war einer darunter, der Gott für »das Wunder« dankte, das Flugzeug noch erreicht zu haben? Oder was ist, wenn ein unheilbar krankes Kind gesund wird, und zwei Straßen weiter stirbt eines an derselben Krankheit?
Heutige Wunder sind fast immer subjektiver Natur und können nur dem eine himmlische Botschaft sein, der sie so verstehen will. Warum ist das so? Gott will von uns Menschen, dass wir ihm glauben. Er lässt sich nicht zwingen, uns hochmütigen Menschen immer wieder einen von uns akzeptierten Daseinsbeweis zu liefern. Außerdem hat er uns zwei untrügliche Zeugen seiner Existenz und seines Wesens gegeben: die Schöpfung und die Bibel. Wer diese Zeugen verwirft, wird Gott nirgends finden, und wer sie annimmt, entdeckt ihn überall und in allem, einerlei, ob er Gottes Tun begreifen kann oder nicht.
Hermann Grabe