Wenn im Frisiersalon viel Kundschaft ist, wird von den Wartenden so manches erzählt. Einer fing an, den Leuten etwas von Gott zu sagen. Da fiel ihm der Friseurmeister sofort ins Wort und sagte: »Hören Sie damit auf! Wenn es einen Gott gäbe, wäre nicht so viel Elend in der Welt, oder dieser Gott müsste böse und grausam sein!« Das leuchtete vielen ein, nicht weil sie auch schon intensiv darüber nachgedacht hätten, sondern weil ihnen eine Last von der Seele fiel, die sie doch ab und zu quälte. Wenn der alte Friseur so sicher wusste, dass es keinen Gott gibt, dann konnten sie sich daran halten und sich selbst damit beruhigen, wenn ihnen die Sache mit Gott zu schaffen machte. Unser Freund hatte nun plötzlich keinen mehr, der in dem Frisiersalon noch etwas von Gott hören wollte.
Das war eine gar nicht schöne Situation, in die er sich da gebracht hatte. Still blickte er aus dem Fenster und sah plötzlich auf der Straße einen ganz verlotterten und in Lumpen gehüllten Kerl. Das Schlimmste an ihm aber war seine völlig verwahrloste Mähne. Die war einfach nicht anzusehen, und nun blieb er sogar vor dem Schaufenster des Friseurs stehen. Plötzlich kam unserem Freund eine Idee. Er rief: »Es gibt keine Friseure!« Alle blickten hoch, und der Meister fuhr herum. »Was soll das denn schon wieder heißen?«, rief der ärgerlich. Unser Freund zeigte nach draußen und sagte vergnügt: »Wenn es Friseure gäbe, würde niemand so herumlaufen wie dieser Mensch da auf der Straße.«
Und so liegt es weder an der Nichtexistenz von Gott oder Friseuren, dass es Menschen schlecht geht oder sie vernachlässigt werden, sondern daran, dass sie sich nicht helfen lassen.
Hermann Grabe