Alle aber seid gegeneinander mit Demut fest umhüllt; denn Gott widersteht den Hochmütigen, den Demütigen aber gibt er Gnade.
1. Petrus 5,5
Gert Postel hatte als einzige Ausbildung die zu einem Postboten. Mittels gefälschter Dokumente gelang es ihm jedoch sechsmal, eine Anstellung als Psychiater zu bekommen. Unter anderem nahm er den Decknamen Dr. med. Dr. phil. Clemens Bartholdy an. Das sächsische Kabinett bot ihm sogar eine Professur in der Forensik an. Bei der Bewerbung um eine Oberarztstelle hielt er einen Fachvortrag über die »Lügensucht im Dienste der Ich-Erhöhung« und stach damit 38 Mitbewerber aus. In einem Expertengespräch gebrauchte er einen in sich widersprüchlichen psychiatrischen Fantasiebegriff, »weil ich ausreizen wollte, wie weit ich gehen kann«. Ohne mit der Wimper zu zucken, nahm der ärztliche Direktor einer Universitätsklinik den Begriff auf und bemerkte, eine »bipolare Depression dritten Grades« komme mitunter vor, sei aber sehr selten. Da dämmert dem Schwindler: »Ich bin als Hochstapler unter Hochstaplern gelandet.« 1999 wurde Postel zu vier Jahren Haft verurteilt, von denen er zwei Jahre absaß.
Vermutlich faszinieren Hochstaplergeschichten deshalb, weil sie uns einen Spiegel vorhalten. Nur zu gern wollen wir mehr scheinen, als wir sind. Diese Neigung ist jedoch nicht nur im Umgang miteinander ein Problem, sondern auch in unserer Beziehung zu Gott. Nur sehr widerstrebend gestehen wir ein, dass wir ganz von ihm abhängig sind und ohne ihn keinen Atemzug tun könnten. Noch schwerer fällt es uns zuzugeben, dass wir moralisch aus Gottes Sicht Egoisten sind, uns ständig gegen ihn empören und ihm den Respekt und die Loyalität verweigern, auf die er als unser Schöpfer Anspruch hat. Demut im biblischen Sinn bedeutet keine neurotische Selbstverzwergung, sondern vielmehr, vor Gott alle Hochstapelei fallen zu lassen und uns in seinem Licht zu sehen.
Gerrit Alberts