Fatalismus oder Todesmut?

Wer redet hier eigentlich so? Eine Frau in großen weltgeschichtlichen Zusammenhängen. Sie ist jung, außerordentlich schön, hat ein gewinnendes Wesen. Aber sie ist nicht ganz freiwillig da, wo sie ist. Und sie gehört zu einem Minderheitenvolk, dem viel Neid und Hass entgegenschlägt.
Eine Frau am Hof des Königs Xerxes. Die Königin. Sie ist Jüdin und bisher hat sie das geheim gehalten. Jetzt aber ist ihr Volk in Gefahr, durch einen heimtückischen Anschlag ausgerottet zu werden. Und ihr Onkel und Erzieher hat sie gerade gebeten, den König um Gnade für die Juden anzuflehen.
Nun ist das Dilemma ein doppeltes. Geht sie auf Tauchstation und es kommt zur Ausrottungsaktion, würde sie über kurz oder lang doch entdeckt und getötet. Geht sie ungerufen zum König, droht ihr das gleiche Schicksal. Und das stürzt sie in große Angst. In dieser Situation wächst sie über sich selbst hinaus und entschließt sich, das Risiko einzugehen, ihre Identität zu lüften und für ihr Volk einzutreten. Es ist ein Akrobatenstück mit Netz. Was wie Tollkühnheit wirkt, ist abgesichert.
Sie selbst, ihre Dienerinnen und alle Juden in der Stadt fasten deswegen drei Tage lang. Damit ist die Sache an Gott angebunden. Was aus der mutigen Tat wird, liegt in Gottes Hand. Mit seiltänzerischer Sicherheit bewegt Ester sich in den nächsten Tagen durch den Intrigendschungel. Sie tut das Ihrige, und die Wende geschieht ohne ihr Zutun »zufällig«. Der Anschlag wird abgewendet und der Anstifter zum Tode verurteilt. Und die todesmutige Ester hat sich und ihr Volk gerettet. Barbara Reuter