Er heilt die, deren Herzen gebrochen sind, und verbindet ihre schmerzenden Wunden.
Psalm 147,3
Meine Mutter war gerade einmal sechs Jahre alt, als der Zweite Weltkrieg wütete. Mein Großvater war irgendwo an der Front, und die Großmutter musste mit ihren vier Kindern auf eigene Faust aus Ostpreußen kommend nach Westen fliehen. Diese überhastete Reise fiel in den tiefsten Winter. Der Bevölkerung war es zuvor verboten worden, das Land in der wärmeren Jahreszeit zu verlassen. Meine Mutter und ihre Geschwister saßen hungrig auf einem Pferdefuhrwerk. Zu beiden Seiten des Weges lagen Leichen und tote Pferde, Häuser brannten ... Diese schrecklichen Bilder prägten sich bei meiner Mutter ein.
Nach der Ankunft in der neuen Heimat besuchte meine Mutter die Grundschule. Ein Lehrer ermutigte sie, mit den anderen Kindern zu spielen. Doch sie blieb abseits stehen. Sie konnte und wollte nicht spielen. Die Erinnerungen hatten sie zu sehr mitgenommen. Es war, als sei ihre fröhliche Kindheit durch die Kriegserlebnisse beendet worden.
Ihr Vater fand nach langer Suche wieder zurück zu seiner Familie, und im Laufe der Zeit verspürte meine Mutter wieder so etwas wie Geborgenheit. Doch die eigentliche Wendung folgte erst noch: In einem Jugendkreis erfuhr sie immer mehr über die Bibel, Gottes Wort. Sie erlebte, wie Gott mit seiner Liebe dem Einzelnen nachgeht. Jesus Christus wurde nun ihr Begleiter durchs Leben - und ihre inneren Wunden begannen, wirklich zu heilen.
Dieses Erlebnis illustriert, was auch der Tagesvers deutlich macht: Gott hat die Verwundeten im Blick. Der Allmächtige ist wie ein Arzt, der die schmerzenden Wunden verbindet und gebrochene Herzen heilt - seien es Kriegserlebnisse, persönliche Abwertungen oder Verluste. Wie bei einem Arztbesuch dürfen wir mit ihm die Wunden der Vergangenheit besprechen und erwarten, dass er sie heilt.
Stefan Taube