Den, der Sünde nicht kannte, hat er für uns zur Sünde gemacht, damit wir Gottes Gerechtigkeit wurden in ihm.
2. Korinther 5,21
Die ersten Gedanken nach einer Corona-Infizierung gelten natürlich auch der Frage, bei welcher Gelegenheit man sich wohl angesteckt hat. Wem habe ich das zu verdanken? Damit einher geht der Drang, das aufzuklären, was sich aber meist als aussichtsloses Unterfangen herausstellt.
Der Grund für den Drang nach Aufklärung ist vielleicht der, dass wir uns für ungerechtfertigt Betroffene halten, für solche, denen das eigentlich nicht hätte widerfahren dürfen. So will man wenigstens denjenigen finden, der mutmaßlich dafür verantwortlich ist. Das steckt tief in uns drin, dass ein Schuldiger gefunden wird und für das geradesteht, wofür er verantwortlich ist. Im Rechtswesen ein durchaus üblicher Vorgang. Was aber, wenn es alle gleichermaßen betrifft? Weil sich schließlich jeder anstecken kann und auch selbst dazu ein Stück weit beiträgt. Wenn alle betroffen sind, macht es keinen Sinn mehr, einen einzelnen Verursacher festzustellen, weil potenziell jeder so einer sein oder werden kann. Jeder hat dann mit sich selbst genug zu tun.
So ist es im Grunde auch mit der Sünde - oder sogar noch mehr als das. Jeder ist so sehr selbst darin verstrickt, dass es keinen Sinn ergibt, einen Einzelnen dafür verantwortlich zu machen. Das Schreckliche ist: Sünde führt immer zum Tod. Sie tötet jeden, es sei denn, sie ließe sich »isolieren«, d. h. eingrenzen auf maximal eine Person, die von ihrer tödlichen Wirkung betroffen ist. Und tatsächlich ist das geschehen. Jesus wurde am Kreuz für uns zur Sünde gemacht (2. Korinther 5,21). Sie wurde auf ihn konzentriert. Er starb an unserer statt. Nicht in einem Krankenhausbett, dahinsiechend, sondern für alle sichtbar am Kreuz, sozusagen im Mittelpunkt des Weltgeschehens.
Joachim Pletsch