Lasst los, und ihr werdet losgelassen werden.
Lukas 6,37
Endlich Rente. Endlich nicht mehr die Verpflichtung, jeden Morgen zur Stelle sein zu müssen. Den Tag langsam angehen lassen. Zeit zur Verfügung haben, für das, was man als wichtig ansieht. Ja, das ist angenehm, aber voraus geht auch ein Prozess, und zwar ein Prozess des Loslassens. Das ist nicht immer leicht. Verantwortung im Beruf übernehmen jetzt Jüngere. Die können das teilweise sogar besser, mit neuen Möglichkeiten und tollen Ideen. Das kann schon mal am eigenen Wert nagen, denn natürlicherweise wollen wir alles festhalten, was uns Wert und Bedeutung gibt. Aber wer es schafft, loszulassen, wird auch eine gewisse Befreiung erleben. Es ist auch eine Erleichterung, nicht mehr so viel Verantwortung tragen oder nicht alles selbst tun zu müssen.
Das Leben ist einem stetigen Wandel unterworfen. Dinge ändern und entwickeln sich. Das Loslassen-Müssen begleitet uns dabei. Wollen wir jedoch unbedingt alles festhalten, werden wir gebunden und unglücklich. Wir werden festgehalten von dem, was wir halten wollen. Deshalb sagt Jesus: »Lasst los und ihr werdet losgelassen.« Darin liegt ein Geheimnis zu unserer Befreiung, denn mit dem Loslassen kommt auch neue Freiheit: »Ich muss nicht mehr ...« Und es entsteht Raum für Neues: »Ich kann jetzt endlich …«
Den Gewinn des Loslassens können wir in verschiedenen Bereichen erleben, z. B. wenn wir anderen vergeben können. Wenn wir Dinge nicht für uns behalten wollen. Wenn wir Verantwortung anderen übertragen können. Wenn wir nicht mehr denken: Ich kann es besser, und ich mache es richtig. Das Loslassen muss eingeübt werden. Erst das Loslassen dessen, was meine Hände festhalten, gibt die Möglichkeit, das Neue zu ergreifen, das Gott mir schenken will.
Manfred Herbst