Von dem griechischen König Alexander dem Großen wird erzählt, dass er jedes Mal, wenn er eine feindliche Stadt belagerte, vor den Stadttoren eine brennende Fackel in die Erde stecken ließ. Das bedeutete, dass jeder, der herauskam, solang diese Fackel brannte, am Leben bleiben durfte. Der König gewährte diesen Menschen seine Gnade. War dagegen die Fackel abgebrannt, wurde die Stadt gestürmt und jeder getötet, der sich noch innerhalb der Mauern befand.
Heute noch bietet Gott uns seine Gnade an. Er will, dass wir leben. Wir Menschen müssen uns jedoch entscheiden: zu ihm umzukehren oder ihn weiterhin zu ignorieren. Und das, solange wir leben, d.h. solange unsere Lebensfackel brennt. Wie lange noch, das weiß niemand. Ein plötzlicher Sturm kann sie jederzeit ausblasen.
Wenn ein Verurteilter vom Bundespräsidenten begnadigt wird, so bedeutet das: Es wird auf die weitere Vollstreckung eines Urteils verzichtet. Und der Verurteilte wird in den Stand versetzt, als hätte er nie eine Straftat begangen. Dadurch steht aber Gnade im Gegensatz zur Gerechtigkeit. Es ergeht Gnade vor Recht. Menschliche Gnade setzt die Gerechtigkeit außer Kraft.
Bei Gott ist das anders. Seine Gnade gibt er nie auf Kosten der Gerechtigkeit. Er wäre sich sonst selbst untreu. Bei Gott stimmen Gnade und Gerechtigkeit überein. Seine Gerechtigkeit fordert die Bestrafung der Menschen für ihre Sünden, aber in seiner Liebe und Gnade hat Gott seinen eigenen Sohn als »Sühnung für unsere Sünden« gesandt. Am Kreuz auf Golgatha sind Gottes heilige und gerechte Forderungen durch den Herrn Jesus vollständig erfüllt worden. Und zugleich leuchtet hell vom Kreuz die wunderbare Gnade. Auf dieser Grundlage bietet Gott uns seine Gnade an. Er will, dass wir leben sollen.
Herbert Laupichler