Mit vielleicht fünf Jahren kam Mose an den Hof des Pharao, und gleich ging die Ausbildung los. Von den Sumerern knapp 3000 Jahre vor Christus bis ins 18. Jahrhundert unserer Zeitrechnung bestand weltweit die Erziehung zum »Gebildeten« vor allem darin, Weisheitssprüche bücherweise auswendig zu lernen. Auch für »Prinz« Mose war das nicht anders. Die Deutung der Hieroglyphen, die Sterndeuterei der alten Babylonier, die Weisheiten der ägyptischen Priester mit ihren okkulten Praktiken, dazu die Geheimnisse der Nilschwelle, der Landwirtschaft und der Kriegskunst - es war ein ausgedehnter Stoff, und alles musste gelernt, hergesagt, gelernt und wieder hergesagt werden. Doch all das konnte in seinem überaus wachen Geist nicht die Erinnerung an das verdrängen, was seine Eltern ihm beigebracht hatten.
So ging er einmal mit vierzig Jahren aus, um seine wahren Brüder zu besuchen. Da sah er, wie gerade ein Ägypter einen Israeliten schlug. Jäh entflammte Moses Zorn, und er erschlug den Ägypter, den er dann im Sand verscharrte. Nun meinte er, seinen »Brüdern« gezeigt zu haben, dass der Retter bald einschreiten werde. Doch als er am nächsten Tag zwei Israeliten ermahnte, doch Frieden zu halten, schnauzte ihn der eine an, er wolle ihn wohl auch totschlagen, wie gestern den Ägypter. Mose bekam einen gewaltigen Schrecken, ging gar nicht erst in den Palast zurück, sondern floh schnurstracks in die Wüste. Dabei wunderte er sich wohl die ganze Zeit über die Ungerechtigkeit der Welt und über die Dummheit seiner »Brüder«.
Gott wollte ihm aber zeigen, dass man in Gottes Sinn nichts aus eigener Kraft und Überlegung tun kann. Das gilt heute noch!
Hermann Grabe