In der Zeit um 1780 waren Singspiele in Mode. Vielerorts reimte und komponierte man sich Herz-Schmerz-Geschichten zusammen. Als jedoch Mozarts »Entführung« ab 1782 über die Bühnen Deutschlands ging, unterblieben die meisten Versuche ganz schnell. Zu schön, zu perfekt war das, was der junge Mann aus Wien auf die Bühne gebracht hatte.
Dabei ist die Geschichte selbst wirklich nicht bedeutend. Belmonte, ein junger Adliger, macht sich auf die Reise, um seine Braut wiederzufinden, die in die Türkei in ein Serail, verschleppt worden ist. Er findet den Ort, kann Kontakt mit seinem ebenfalls geraubten Diener knüpfen und mit ihm die Entführung vorbereiten. Doch sie werden verhaftet. Alles wäre verloren, wenn da nicht die menschliche Größe des Bassa Selim wäre, des Haremsbesitzers. Er liebt die Braut Konstanze innig, doch er möchte ihr freiwilliges »Ja«. Das aber wird ihm verweigert.
Was geschieht nun mit den Gefangenen? Werden sie alle miteinander geköpft oder gehängt? Nichts dergleichen geschieht. Bassa Selim verzeiht ihnen und lässt sie frei. Man scheidet in aller Freundschaft. »Großmütig, edel, menschlich sein und ohne Eigennutz verzeihen, ist nur der großen Seelen Sache« heißt es im Schlusschor. Das Stück endet als ein Fest des Verzeihens.
»Wie ein Fest nach langer Trauer, ... so ist Vergeben und Verzeihn« heißt es in einem modernen christlichen Song, in dem von der Vergebung Gottes die Rede ist. Allen Menschen bietet er in Jesus Christus seine Gnade und Vergebung an, die wir nicht verdient haben. Aber wo sie stattfindet, kommt Freude auf, viel größer und umfassender als am Schluss von Mozarts »Entführung«. Karl-Otto Herhaus