Nach dem 2. Weltkrieg waren die deutschen Städte größtenteils zerstört. In Berlin z. B. hat man später aus 75 Millionen Kubikmetern Schutt den »Monte Klamotte« zusammengekarrt, und Hannover bestand zu 93% aus Ruinen. Aber man begriff auch erschrocken, zu was sich unser Volk von den Nazis hatte hinreißen lassen, nachdem man die Bilder von Auschwitz oder Bergen-Belsen zu sehen bekam. Da nahmen sich viele vor, sich auf die christlich-humanistischen Wurzeln unserer Geschichte zurückzubesinnen. Wie brüchig dieses Fundament war, stellte sich allerdings bei der 68-er Bewegung heraus, bei der alle guten Vorsätze bereits wieder vergessen waren.
Ich entsinne mich aber noch gut an den Direktor unserer kleinen Hochschule, der uns im Sinn christlicher Ethik erziehen und uns auch unseren heutigen Tagesvers vorleben wollte. So begrüßte er jeden Studenten schon von Weitem. Wie oft wurde ich dadurch beschämt, dass der alte Philosoph mit seinem schneeweißen Haar und seinem klugen Gesicht den Hut zog, sobald er uns erblickte.
Wie anders sähe unsere Welt aus, wenn jeder in jedem die Verwirklichung eines wunderbaren Gedankens des Schöpfers erblickte! Der Einzelne mag durch das Böse in der Welt seinen Glanz verloren haben, gehört aber trotzdem zu der »Welt«, die Gott so liebt, dass er seinen eigenen Sohn für sie hat sterben lassen.
Nehmen wir unseren Tagesvers ernst, so können wir nicht mit Verachtung an unseren Mitmenschen vorübergehen, und andererseits werden wir beginnen, unser eigenes Verhältnis zu unserem Schöpfer zu überprüfen. In der Bibel steht, wie ernst es Gott mit seiner Menschenliebe meint, was aber auch für uns auf dem Spiel steht, wenn wir achtlos daran vorübergehen.
Hermann Grabe