Heute vor 50 Jahren ging das Atomkraftwerk Kahl am Main als erstes Kernkraftwerk Deutschlands ans Netz. Der Siedewasserreaktor war damit der Beginn einer Entwicklung, die versprach, kostengünstig und vermeintlich umweltfreundlich Strom zu erzeugen. Heute ist aus der damaligen Zukunftstechnologie bestenfalls eine »Brückentechnologie« geworden. Der politische Streit, wann der vereinbarte Atomausstieg kommen soll, ist wieder voll entbrannt.
Dabei hat die Katastrophe von Tschernobyl 1986 gezeigt, dass die Kräfte der Natur sich nicht immer vom Menschen beherrschen lassen. Wenn man dazu bedenkt, dass bis heute in Deutschland die Frage der Endlagerung der radioaktiven Abfälle nicht geklärt ist, unterstreicht das die Erkenntnis, dass die Menschheit in ihrer Fortschrittsgläubigkeit Geister rief, die sie wie Goethes Zauberlehrling nicht mehr los wird. Dieser Glaube wiederholt die Erfahrungen aus der Frühzeit der Menschheit, als Gott beim Turmbau zu Babel die Sprache verwirrte, weil die Menschen sein wollten wie Gott.
Auch heute sehen die Menschen zwar die geschaffene Natur, beuten sie aus und glauben, alles im Griff zu haben, ehren aber nicht den Schöpfer, der dahintersteht. Neben dieser Ursünde des Menschen kommt hinzu, dass die heutige Menschheit nicht nach den kommenden Generationen fragt und nicht nach den Belastungen, die sie ihnen aufbürdet. Auch das ist Schuld vor Gott. Der wird an seinem Gerichtstag jedem Einzelnen vorhalten, wie er mit Gottes Schöpfung umgegangen ist und vor allem, ob er ihn als Gott anerkannt und geehrt hat. Und Gottes Urteil ist dann das Entscheidende, von viel größerer Tragweite als die Frage nach der Kernenergie heute. Bernd Hüsken