In einer Kirche in Österreich liegen am Eingang vier Totenschädel. Daneben steht auf einer Tafel: »Wer war der Tor, und wer war ein Weiser? Wer war der Bettler und wer war der Kaiser?«
Man sieht es den Schädeln durchaus nicht an, ob sie früher einmal eine Krone oder eine schmutzige Kapuze getragen haben. Außerdem wollte man damit sagen, dass alle Weisheit dieser Welt mit dem Tod verloren geht. Das soll natürlich überhaupt nicht heißen, es sei einerlei, ob man als Tor oder als Weiser durchs Leben gegangen ist. Aber die Leute, die die Köpfe dort aufgestellt haben, wollten uns sicher vor allem darüber belehren, dass es eine Weisheit gibt, die nicht mit dem Tod vergeht.
Von Johann Wolfgang von Goethe sagten die Leute im Ausland: »Die Deutschen haben nicht nur den größten Dichter, sondern auch den weisesten Menschen.« Das mag in Bezug auf die irdische Weisheit richtig gewesen sein; aber er hat sich schon in jungen Jahren bewusst von dem Gott der Bibel und von der göttlichen Weisheit abgewandt, weil er merkte, dass wahre Frömmigkeit seinen Weltruhm sehr beeinträchtigt hätte. Über seinen Zeitgenossen Matthias Claudius konnte er sich nur wundern, dass ein so kluger Mann so einfältig glaubte und danach lebte.
Goethe ist über achtzig Jahre alt geworden und wurde immer berühmter; aber dann? Wenn er vor seinem Tod nicht noch zu Gott umgekehrt ist, kam man ihm am Himmelstor nicht mit Lorbeerkränzen entgegen. Die Tür wäre dann für ihn zu, für ewig zu. War er nun wirklich weise gewesen? Hat es sich wirklich gelohnt, Millionen von Verehrern gehabt zu haben, wenn er die Ewigkeit getrennt von Gott verbringen muss?
Hermann Grabe