Zu den gewählten »Unworten des Jahres« gehörte in der jüngsten Vergangenheit auch der Begriff »Soziale Kälte«. Der Ausdruck erinnert uns daran, dass vielerorts eine Atmosphäre herrscht, in der die Bedürfnisse anderer ignoriert werden oder erbarmungslos mit ihnen umgegangen wird.
An einem bitterkalten Winterabend des Jahres 1990 kam ich gegen 23 Uhr von einer Sitzung heim. In der letzten Kurve vor meiner Garage bemerkte ich ein Fahrrad, auf dem Gehweg liegend, am Rande eines buschbewachsenen Hanges. War jemandem das Bergauf-Fahren zu mühsam geworden ...? Oder lag hier ein Verletzter am Abhang - dem sicheren Erfrierungstod entgegenschlafend? Mit diesen Gedanken ging ich ins Haus, informierte meine Frau und lief dann doch - ein wenig unschlüssig - die verschneite Straße zurück. Absolute Stille. Ich begann, den Abhang durch das Buschwerk hinabzuklettern - und da lag er. Ein Mann aus unserem Städtchen. Fest schlafend und sturzbetrunken. Mit Hilfe eines herausgerufenen Nachbarn und unter größter Kraftanstrengung gelang schließlich die Bergung, dann das Hineinhieven in mein herbeigeholtes Fahrzeug. Seine Adresse war erst durch Wachklingeln verschiedener Einwohner zu ermitteln. Wir trugen ihn auf Anweisung seiner weinenden Ehefrau bis auf sein Bett.
Wie viel mehr noch hatte Jesus Christus einen Blick für die Armen und die Verachteten. Für ihn waren sie wertvoll. Er schaute hinter die Fassade aus Armut und Not oder auch aus Lustigkeit und Arroganz - er sah den Einzelnen, hörte und verstand ihn, half ihm und bot ihm Freundschaft und neues Leben an. Klaus Spieker