Das wohl bekannteste Werk des irischen Schriftstellers und Nobelpreisträgers Samuel Beckett (1906-1989) ist sein absurdes Theaterstück »Waiting for Godot« (»Warten auf Godot«). In diesem Stück warten zwei Landstreicher unter einem Baum an einer öden, verlassenen Straße auf Godot. Godot hat den beiden Männern fest versprochen zu kommen. Während die zwei in der sicheren Hoffnung, dass mit Godots Ankunft alles besser werden wird, vertrauensvoll ausharren, verstreicht die Zeit. Der Erwartete lässt auf sich warten. Zwar zieht zweimal ein Junge vorbei, um mitzuteilen, dass Godot kommen werde, jedoch endet das Stück nach drei Stunden, ohne dass er je erschienen wäre.
Im Gesamtblick der nihilistischen und gotteslästerlichen Literatur Becketts wird schnell klar, dass Godot niemand anders als Gott (God) ist, auf den der Mensch vergebens wartet. Der religiös erzogene Beckett, der heute vor 100 Jahren geboren wurde, bekannte: »Ich habe es aufgegeben.«
Wie anders klingt da die oben zitierte biblische Aufforderung durch den israelitschen König David. Selbst in den Krisensituationen seines Lebens wartete er weiter auf Gott und sein Eingreifen im Vertrauen darauf, dass der göttliche Zeitplan stimmt. Fürchte ich in meinem ungeduldigen Zweifeln, dass Gott sich verspäten könnte oder vielleicht am Ende überhaupt nicht mehr kommt? Die ersten Christen ließen solche Überlegungen erst gar nicht Fuß fassen. Wenn sie sich sahen, so grüßten sie sich mit dem Ruf »Maranatha!« (»Der Herr kommt!«). Darauf dürfen Christen sich bis heute und künftig verlassen und im Glauben in jeder Lebenssituation vertrauensvoll mit seinem Kommen rechnen. Martin von der Mühlen