Denn mich hungerte, und ihr gabt mir zu essen; mich dürstete, und ihr gabt mir zu trinken; ich war Fremdling, und ihr nahmt mich auf.
Matthäus 25,35
Bomben in Deutschland, der Siegesrausch ist vorbei. Die Männer sind Soldaten, die Mütter mit Kindern in ländliche Gebiete evakuiert, wo es vielleicht noch etwas zu essen gibt.
Mein mutiger Vater war im Frühjahr 1945 als Soldat in Dessau stationiert. Er wusste, dass seine Frau ins Sudetenland evakuiert worden war, wo inzwischen das zweite Kind - das war ich - entbunden worden sein musste. Mit Zustimmung seines Vorgesetzten kämpfte er sich zu uns durch. Tatsächlich fand er uns, und während am östlichen Horizont die Angriffe der Roten Armee dröhnten, packte mein Vater kurzerhand seine Familie in ein Fahrzeug und flüchtete gen Westen. Eine abenteuerliche Flucht begann, schließlich zu Fuß durch Wälder und kleinere Orte. Mehrfach geriet die Gruppe in Todesgefahr durch russische Patrouillen. Aber Gott, an den meine Eltern glaubten, sorgte dafür, dass alles gut ging. Nun war aber die Kraft meiner Mutter am Ende, ihre Muttermilch versiegt; sie musste sich dringend ausruhen. Inzwischen war jedoch die Fluchtbewegung Richtung Westen so stark, dass dieses Ausruhen unterwegs fast unmöglich war. Vater gab dennoch nicht auf, sondern ging von Haus zu Haus, um jemanden zu finden, bei dem wir uns ausruhen konnten. Er betete und hoffte auf Gottes Hilfe. Schließlich sagte ihm ein 10-jähriger Junge: »Meine Mutti nimmt Sie auf!« Die Mutter war eine Witwe, die ihren Mann an der Front verloren hatte. Aber sie wagte es, uns aufzunehmen. Was für ein Geschenk: Gastfreundschaft! Ausruhen können! So ist Gott: Er rettet. Er erhört Gebet.
Während ich diesen Text schreibe, kommen Menschen aus der Ukraine zu uns nach Deutschland. Wir können Gastfreundschaft üben, helfen, ein Segen für andere Menschen sein - so wie damals ein kleiner Junge und seine Mutter für uns.
Klaus Spieker