Die menschliche Ohrmuschel ist von besonderer Schönheit und unverwechselbarer Gestalt. Sie ist ein schwungvolles Relief aus Erhebungen und Vertiefungen, Rinnen, Wülsten, Vorsprüngen und Einbuchtungen, die dennoch bei jedem Einzelnen etwas anders ausfallen. Die Bedeutung dieser komplizierten und schönen Strukturen ist erst seit einigen Jahren enträtselt, sie spielen eine wesentliche Rolle beim Hörvorgang.
Der Schall wird von der Ohrmuschel auf zwei verschieden langen Wegen zum Gehörgang geleitet. Auf diese Weise trifft der Schall über den längeren Weg eine Fünftausendstel Sekunde später ein als über den kürzeren. Dies dient einer verfeinerten akustischen Analyse. Wir verfügen somit über eine dreidimensionale Schallanalyse, die es uns erlaubt Richtung, Ursprungsort und Bewegung von Schallquellen in allen Raumebenen zu erkennen. Mit den zwei Schallwegen auf jeder Ohrseite verfügen wir quasi über vier Ohren. Das Geniale dieser ausgeklügelten Konzeption besteht nun darin, dass wir subjektiv weder die Schallverdoppelung noch eine Vervierfachung wahrnehmen.
Durch das raffinierte »Vier-Ohren-System« ergeben sich aufgrund der Querverbindungen für die Auswertung im Gehirn sechs Vergleichswerte. Dies alles wird im Gehirn blitzschnell zu einem räumlich gegliederten Schallbild der Umgebung verrechnet, so dass eine äußerst verfeinerte Analyse des Gehörten ermöglicht wird. Dieser Konstruktion haben wir auch die erstaunliche Fähigkeit zu verdanken, einige Geräusche in den Hintergrund zu drängen und andere bewusst herauszuheben. Welch ein genialer Schöpfer, der sich das alles ausgedacht hat! Werner Gitt