Es war in Princeton. Auf einer Parkbank saß ein kleines Schulmädchen und weinte. Ein freundlicher alter Herr fragte sie, was ihr fehle. Sie sagte: »Ich kann das Mathe nicht!« Da setzte er sich zu ihr und ließ sich die Aufgaben zeigen. Freundlich und geduldig erklärte er ihr alles. Jetzt mochte sie wieder lächeln. Und später konnte sie sagen, sie habe bei Einstein Mathe gelernt, denn kein Geringerer war der freundliche Herr.
Welch eine Herablassung des berühmtesten Physikers der Welt, der 1921 auch den Nobelpreis erhielt!
Wie vergleichsweise bescheiden sind doch unsere Fähigkeiten, und wie oft hindert uns unser Stolz, solche »einfachen« Dinge für andere zu tun! Weil wir es für unter unserer Würde hielten, schmutzige Arbeit zu machen, haben wir sie von »Gastarbeitern« tun lassen. Weil uns unsere Zeit zu schade ist, mit kleinen Kindern »alberne Spielchen« zu spielen, müssen sie sich allein beschäftigen, und uns entgeht die wunderbare Möglichkeit, ihre aufnahmefähigen Herzen zu prägen. Weil vielen Männern die Hausarbeit zu gering ist, verpassen sie die Möglichkeit, ihrer Frau zu zeigen, was sie ihnen wert ist.
Und blicken wir dann auf die Krippe in Bethlehem und auf das Kreuz von Golgatha, so sehen wir eine noch viel größere Herablassung. Gott selbst kam in unser Menschsein, in unser selbst verschuldetes Elend, um uns zu retten. Wer das begreift, darf auch wieder Mut fassen wie das kleine Mädchen oben. Und wer ihn schon kennt, sollte sich jedes Mal schämen, wenn er sich für einen geringen Dienst an den Mitmenschen zu fein fühlt.
Hermann Grabe