Ich stehe auf dem Ölberg und schaue auf Jerusalem. Eine wirklich herrliche Stadt: Der hell leuchtende Stein, die gewaltige Mauer, die prächtigen Bauten, die bewegte Geschichte dieser altehrwürdigen Stadt. Doch dann wird mir bewusst, dass Jesus, der Sohn Gottes, beim Anblick dieser Stadt weinte. Wie war das möglich?
Der Herr Jesus sah die Wirklichkeit: Er wusste um die Ablehnung seines Volkes. Er musste mit ansehen, wie Jerusalem seine große Chance verpassen würde. Kam er vergeblich in diese Stadt? Die Zerstörung des prächtigen Tempels und die Zerstreuung des Volkes in alle Welt mit den furchtbaren Verfolgungen stand vor der Tür. Dass er abgelehnt wurde, erfüllte ihn nicht mit Rachegedanken. Nein! Es machte ihn tief traurig. Darüber begann er zu weinen. So sehr liebte er die Menschen.
Dann ging er hinein. Zwar als Gefangener. Dennoch freiwillig. Als einer, der dem Willen seines Vaters folgte. Dort gab er sein Leben hin. In der Stadt, wo unzählige Tiere wegen der Sünden des Volkes geopfert wurden, starb er, der Sohn Gottes, für Jerusalem und die Menschen aller Zeiten. Auch für meine Sünden hing er dort am Kreuz. Nur dieses Opfer hat bei Gott Gültigkeit. Jeder Christ sollte die Gesinnung Jesu haben, Mitleid mit den verlorenen Menschen zeigen und bereit sein, ihnen jederzeit die gute Botschaft zu sagen. Ach, wie kaltherzig und feige sind wir doch oft! Sogar wenn es um das ewige Verderben unserer Nächsten geht. Für das leibliche Wohl der uns Anvertrauten sorgen wir meistens in ausreichendem Maße; wer aber weint um ihr Seelenheil und setzt alles daran, dass sie gerettet werden? Siegfried Lambeck