Einer Umfrage nach beten immerhin 86 Prozent der Bürger unseres Landes, während nur 68 Prozent an einen Gott glauben. Zu wem aber beten sie? Gehören sie zu denen, die entsprechend dem Sprichwort »Not lehrt beten« erst in aussichtslosen Notsituationen den Weg zu Gott finden? Da betete ein Mann vor einer schweren Prüfung und meinte, als er dann alles gut überstanden hatte: »Danach brauchte ich Gott nicht mehr. Gott hatte seine Schuldigkeit getan.« Dieser Mann betete zwar »gegen die Not«, aber nicht »zu Gott«. Er hatte nur die religiöse Notbremse gezogen und Gott als Bremsbelag benutzt. So ein Beten ist eher eine magische Beschwörung, die in bestimmten Notfällen einen Zaubergott anruft und ganz sicher auch keine Dankbarkeit auslöst. Ein solches Gebet ist eine Ersatzhandlung, und es liegt nahe, dass wir Gott zum Erfüllungsgehilfen unserer Wünsche degradieren. Aber vergessen wir nicht, was wir im »Vaterunser« beten: »Dein Wille geschehe, im Himmel wie auf Erden.«
Andererseits soll und kann nicht bestritten werden, dass im Beten aus Not auch die ernsthafte Bitte von Menschen zu erkennen ist, die sich in Erkenntnis eigener Schwäche auf Hilfe von außen, von »oben«, angewiesen wissen. So können unvorhergesehene und schreckliche Ereignisse der Anstoß zum Gebet sein und uns sehr nahe zu Gott bringen, wie unser Tagesvers zeigt. Und es ist wunderbar, wenn daraus eine dauerhafte und auf wahre Umkehr gegründete Gottesbeziehung entsteht. »Herr, hilf mir!« ist das kürzeste Gebet. So schrie Petrus, als er Jesus auf dem Wasser entgegenging und zu sinken begann. Gott sagt uns in der Bibel: »Rufe mich an am Tag der Bedrängnis: Ich will dich erretten, und du wirst mich verherrlichen!« (Psalm 50,15).
Karl-Heinz Gries