»Schlagt tot den Walter Rathenau, die gottverdammte Judensau!«, rief man sich 1922 in rechtsradikalen Kreisen Deutschlands zu. Wer war dieser Mann, den Mitmenschen in so unflätiger Weise mit solch tödlichem Hass verfolgten? Er war der Sohn jüdischer Eltern (geb. 1867). Sein Vater hatte 1887 die AEG gegründet, deren Vorstandsvorsitzender und Aufsichtsratvorsitzender später sein Sohn Walter wurde. Im 1. Weltkrieg organisierte er die Rohstoffversorgung des deutschen Reiches, in der Nachkriegszeit gelang es ihm als Minister in geschickten Verhandlungen mit den Siegermächten, Erleichterungen für das um wirtschaftliches Überleben kämpfende Reich zu erlangen. Dennoch traf ihn der ganze Hass derjenigen, die Schuldige für die Niederlage im Krieg und für die Not der Nachkriegszeit suchten. Und seine jüdische Herkunft war ein weiterer Anlass, ihn als Verräter zu verunglimpfen. Am 24. Juni 1922, heute vor 80 Jahren, wurde er als Außenminister von zwei jungen Offizieren während der Fahrt ins Ministerium ermordet. Die Saat des Hasses war aufgegangen.
Rathenau war Opfer einer Ureigenschaft des Menschen geworden: Schuld nie bei sich selbst, sondern immer bei anderen zu suchen, und seit Jahrtausenden bot sich dafür als »Sündenbock« das jüdische Volk an, was im Deutschland des 20. Jahrhunderts einen schrecklichen Höhepunkt erreichte. Im Grunde steht hinter dem Antisemitismus die Ablehnung des Gottes der Bibel. Wer aber die Liebe Gottes in Jesus Christus erfahren hat und um die Vergebung seiner Schuld weiß, der wird allen Menschen und gerade auch Israel als dem irdischen Volk Gottes mit ungeheuchelter Liebe begegnen. Gerhard Jordy