Gottesfurcht ist eine unmoderne Vokabel! Mir sind schon viele Menschen begegnet, die sich an diesem Wort stören. Vielleicht liegt das daran, dass häufig der unpopuläre Begriff der Furcht im Vordergrund steht: Kann etwas gut für mich sein, vor dem ich mich fürchten muss? Will Gott mir Angst einjagen? Ist diese »Furcht vor Gott« nicht vielmehr Ausfluss eines überholten, antiquierten, archaischen und damit falschen Gottesbildes, das aus einer gewaltbesetzten Zeit stammt, in der die Macht allein bei Männern lag, die durch Gewalt und Schrecken herrschten, und in der man die Angst vor Regenten oder Vätern auf Gott projizierte?
Vielleicht kann man sich dem Verständnis der Gottesfurcht mit den Müttern und Vätern des Grundgesetzes nähern. In der Präambel, dem Vorwort zu diesem grundlegenden Gesetzeswerk, formulierten sie: »Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen ... hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben.«
Das ist meines Erachtens eine sehr gute, moderne Formulierung für Gottesfurcht: Sich dessen bewusst zu sein, dass wir als Menschen, als Einzelne wie als Volk, eine Verantwortung vor Gott haben. Damit wird die Überzeugung ausgedrückt, dass wir Gott rechenschaftspflichtig sind, und zwar für alles, was wir tun - oder nicht tun -, sagen und denken. Und dieser Umstand macht deutlich, dass Gott in der Hierarchie über uns steht. - Ich habe den Eindruck, dass man sich bei Gründung der Bundesrepublik Deutschland sehr wohl bewusst war, dass ohne diese klare Verantwortung menschliches Zusammenleben auf Dauer nicht gelingen kann. Und noch eines wird klar: Wer Gott fürchtet, steht eindeutig auf dem Boden unserer Verfassung! Markus Majonica