Eines muss man Erich Honecker lassen, Linie hatte sein Leben. Schon mit 17 Jahren trat er in die KPD ein. Zehn Jahre saß er unter den Nazis in Haft, um nach dem Kriege dann seine politische Karriere in der DDR zu machen. Dann kam 1989 der Zusammenbruch seines Staates. Das kommunistische System zerbrach, ideel und materiell. Honecker musste abdanken, sein Staat löste sich auf, vorübergehend landete er sogar im Gefängnis, bis man ihn schließlich nach Chile in die Emigration ziehen ließ, wo er am 24. Mai 1994 starb. Heute wäre er 90 Jahre alt geworden.
Was mag im Kopf dieses Mannes vorgegangen sein, wenn er auf sein Leben zurückschaute. Da lag sein sozialistisches Lebenswerk in Trümmern und mit ihm die ganze kommunistische Welt. Eine Utopie war gescheitert, von der Karl Marx und seine Jünger behaupteten, sie sei gar keine, sondern das wissenschaftlich erwiesene Ziel der Menschheitsgeschichte. Millionen von Büchern zu diesem Thema wurden zu Makulatur, die Arbeit von Generationen marxistischer Gelehrter war entwertet. Eine wesentliche Grundaussage der marxistischen Ideologie war der Satz: Der Mensch ist im Kern gut. Umgib ihn mit optimalen Lebensumständen und er wird sich optimal entfalten, denn »das Sein prägt das Bewusstsein«. An diesem Menschenbild ist der Sozialismus letztlich gescheitert. Das war der sandige Grund, auf dem das ideologische Gebäude errichtet worden war und das dann einstürzte, als Gott, der Herr der Geschichte, seine Ende bestimmt hatte. Armer Erich Honecker! Das Gleiche gilt aber auch für jede Vorstellung, die ohne Gott auszukommen meint. Karl-Otto Herhaus