Stellen Sie sich einmal ein Haus vor, in dem nur Blinde wohnen, außer einem einzigen, der sehen kann. Was wird der denken, wenn er eines Morgens in den Aufenthaltsraum kommt und dort ein wunderschönes, farbenprächtiges Gemälde erblickt? Ist er überheblich oder denkt er zu viel von sich, wenn er annimmt, dieses Bild habe ein freundlicher Geber ausschließlich für ihn, den einzig Sehenden, dort aufgehängt? Immerhin hat keiner sonst im ganzen Haus irgendetwas davon.
Wir Menschen sind die einzigen Geschöpfe, die sich an der Schönheit und Erhabenheit eines Sonnenuntergangs am Meer, an den weißen Nebeln über einer Talwiese oder an der grandiosen Pracht einer sternklaren Nacht erfreuen können. Alle anderen Geschöpfe, tote oder lebendige, sind dafür blind, seien sie auch noch so Eindruck erweckend, wie unsere Sonne oder gar die ganze Milchstraße.
Ich weiß, dass man alle Schönheit auf Naturgesetze und Lichtbrechungs-Effekte zurückführen kann. Aber wer nun das tut, bringt sich selbst um alles Staunen, wenn es ihm auch das Gefühl geben mag, immer absolut über allen Dingen zu stehen. Alles steht und fällt mit der Beantwortung der Frage, ob wir es überall mit dem ziellosen Zufall zu tun haben, oder ob der Beter unserer beiden Tagesverse die richtige Sichtweise hat.
Gilt der bloße Zufall, ist es einerlei, woran man sich erfreut oder womit man sich seelisch über Wasser hält; denn nach einigen Lebensjahren versinkt man sowieso im Nichts. Gilt aber die Sicht des Psalmisten, dann haben wir es mit dem allmächtigen Gott zu tun, der uns für die Ewigkeit geschaffen hat und uns hier schon etwas von seiner Größe und Schönheit erleben lässt.
Hermann Grabe