Immer und immer wieder fasziniert mich diese Geschichte: Hier kommen sie, die Pharisäer und Schriftgelehrten. Es ist frühmorgens. Soeben haben sie eine Frau beim Ehebruch ertappt. Sie zerren sie mit sich. Heimlich reiben sie sich schadenfroh die Hände. Diesmal wird die Falle zuschnappen. Sie hassen ihn, diesen Jesus. Er ist so ganz anders als sie und ihre Traditionen. Und er zieht ihnen, den frommen Leuten, die Zöllner und Sünder vor. Sie können das nicht verstehen, darum verabscheuen sie ihn. Aber das Volk läuft ihm nach, es verehrt ihn. Gerade jetzt predigt er im Tempel vor einer ganzen Volksmenge. Sollen sie es ruhig alle hören, wie er sich jetzt selbst verurteilt, dieser Freund der Sünder! Die Gruppe erreicht den Tempel, poltert herein und unterbricht die Predigt. Die Frau stellen sie in die Mitte und beginnen Jesus in die Falle zu locken: »Meister, diese Frau ist gerade auf frischer Tat im Ehebruch ergriffen worden. Mose hat uns im Gesetz geboten, solche zu steinigen - und was sagst du?«
Alle Augen sind auf Jesus gerichtet. Wie gebannt starren sie ihn an. Jetzt muss er antworten. Doch was tut Jesus? Er bückt sich nieder und schreibt auf die Erde. Er bleibt völlig ruhig, lässt sich überhaupt nicht in Zugzwang bringen. Er ist absolut Herr der Lage.
Ich bewundere diese Reaktion. Damit entschärft er die ganze Situation. Sie eskaliert nicht. Er lässt seine Herausforderer einfach dastehen und beachtet sie scheinbar gar nicht. Erst als sie nicht locker lassen, ihn mit ihren Fragen zu bedrängen, blickt er kurz auf und spricht jene Worte, die an Weisheit nicht zu übertreffen sind: »Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.« Natalie Clos