Als ich neulich mit Freunden bei einer Familie aus Kasachstan zum Essen eingeladen war, gab es Obst aus ihrer Heimat zum Nachtisch, unter anderem einen Granatapfel. Einer von uns hatte noch nie einen Granatapfel gegessen und staunte nicht schlecht über die unzähligen saftig-roten Samenkörner, die nach dem Anschneiden zum Vorschein kamen. Einen so spektakulären Inhalt hätte er bei dem unscheinbaren Äußeren nicht erwartet, zumal die Bezeichnung »Apfel« einen ähnlich eintönigen Inhalt vermuten lässt, wie wir ihn von unseren heimischen Äpfeln gewohnt sind. Aber bei der äußeren Hülle endet die Gemeinsamkeit mit den europäischen Verwandten, der Inhalt des Granatapfels sprengt tatsächlich alle Erwartungen. Den Rest des Abends waren wir damit beschäftigt, die über 400 süßen »Granatsplitter« einzusammeln und genüsslich zu verzehren.
Ganz ähnlich wie der Granatapfel ist die Bibel ein Buch, das alle Erwartungen übertrifft und sich zwar nicht vom Äußeren, aber umso mehr vom Inhalt von allen anderen Büchern unterscheidet. Wenn man sich nicht von ihrem langweiligen Einband abhalten lässt, sondern sich die Mühe macht, sie zu öffnen und aufmerksam zu lesen, wird man auch von der Vielfalt, der Fülle und der Sprengkraft ihres Inhalts überrascht sein. Wer sie nur von außen kennt, spottet vielleicht über sie - wer aber ihre Botschaft versteht, kommt aus dem Staunen nicht heraus. Er findet in ihr Hoffnung, Trost, Kurskorrektur und festen Halt. Beim Lesen entdeckt er immer wieder neue Schätze.
Zugegeben, es kostet ein wenig Mühe und Aufwand, diese Schätze zu bergen, aber: Der Einsatz lohnt sich. Ganz bestimmt! Gerhard Kautz