Sozusagen von Geburt an bin ich mit dem Problem der Schwerhörigkeit konfrontiert. Trotz mehrerer Trommelfell-OPs bleibt mein Hörvermögen eingeschränkt. In meiner Kindheit nutzte ich das manchmal aus. Zum Beispiel, wenn meine Mutter für mich unangenehme Aufgaben hatte und ich so tat, als würde ich sie nicht hören. Im Nachhinein tut es mir natürlich leid, dass ich meine Mutter getäuscht habe. Wahrscheinlich wusste sie es sogar.
Doch bin ich nicht der Einzige, der sich hin und wieder taub stellt, wenn er meint, einen Nutzen davon zu haben. Denn viele Menschen tun so, als würden sie nicht wahrnehmen, wenn sich ihr Gewissen meldet. Oder sie merken deutlich, dass Gott sie anspricht, und tun trotzdem so, als würden sie ihn nicht hören. In ihrer vermeintlichen Taubheit gehen sie weiter in das Verderben, das ihnen droht. Wie deutlich haben manche den Ruf Gottes zur Umkehr gehört und doch wieder verdrängt!
Der namenlose Schreiber unseres Psalms befindet sich in einer ausweglosen Situation. Er tut das einzig Richtige: Er ruft zu Gott und fleht ihn an, sein Anliegen zu erhören. Er weiß, dass er Hilfe und Vergebung braucht, und wendet sich an die richtige Adresse. Denn Gott ist niemals taub oder schwerhörig, wenn Menschen ihr Leben in Ordnung bringen wollen. Dieser Mann hat das auch erfahren, denn später in seinem Psalm lobt er Gott für seine Vergebung und sagt, dass es nur bei Ihm Gnade und Erlösung in Fülle gibt.
Warum sollten wir uns taub stellen, wenn dieser Gott zu uns reden möchte? Besser wäre es, ganz genau hinzuhören. Oder sich selber an Gott im Gebet zu wenden. Vielleicht machen wir dann dieselbe Erfahrung wie der Schreiber des heutigen Psalms?
Rudolf Kühnlein