Es war in der »schlechten Zeit«, also nach dem Zweiten Weltkrieg. Ich war 14 und ziemlich klein geblieben. Doch handelte ich mit Zigaretten aus Care-Paketen, die wir aus Amerika bekamen. So wusste ich, dass eine Zigarette 4 bis 5 Mark kostete. Dafür versuchte ich, Speck oder Mehl oder auch Zuckerrüben zum Sirup-Kochen einzuhandeln.
Eines Tages besuchten wir ganz alte Leute. Die Frau schenkte meinem 11-jährigen Bruder und mir je ein 2-Pfennig-Stück und sagte lächelnd zu meiner Mutter: »Kinderhand ist leicht gefüllt!«
Ich meinte damals, nicht beleidigt zu sein, sondern fand die Sache eher zum Lachen; aber vergessen habe ich die Geschichte auch nicht. Daran sieht man wohl, dass mein Stolz doch ein wenig verletzt war, weil ich so sehr unterschätzt wurde.
Unser Tagesvers rät uns, ein gelassenes Herz zu bewahren, wenn wir beleidigt werden, selbst wenn dies absichtlich geschieht, denn mit »Ereiferung« schadet man sich nur selbst. Das ist natürlich viel leichter gesagt als getan. Um diese gelassene Haltung zu bekommen, ist es eine große Hilfe, wenn wir glauben können, dass Gott alles mithört und dass er weiß, was an dem Gesagten stimmt und was nicht. Er hat gesagt, dass wir Menschen – also auch jeder Beleidiger – einmal jedes Wort vor ihm zu verantworten haben. Und dann wird Recht gesprochen. Darauf dürfen sich allerdings nur diejenigen wirklich freuen, denen Gott ihre Bosheiten, also auch die ausgesprochenen Beleidigungen, vergeben hat.
Aber zu so glücklichen Leuten kann ja jeder bald gehören, wenn er Gottes gnädiges Angebot der Vergebung annimmt.
Hermann Grabe