Beide Übersetzungen sind richtig und doch fast unglaublich; denn »das Erdreich«, oder auch die einzelnen Länder, haben bisher immer nur die gnadenlos Machthungrigen an sich gerissen. Wer sanftmütig und geduldig ist, muss froh sein, wenn er dem Eroberer irgendwie nützlich erscheint, sodass er ihn am Leben lässt. Dies Prinzip ist nur in wirklich demokratischen Ländern stark abgemildert. Aber auch da lernen die Jungen schon in der Schule, dass man zumindest eine große Klappe haben muss, wenn man etwas gelten will. Und noch besser ist es, wenn die anderen wissen, wie hart man zuschlagen kann.
Und dann erst im Geschäftsleben! Wer da den anderen aus Sanftmut den Vortritt lässt, der bekommt bald keinen Fuß mehr auf den Boden.
Nicht einmal in den Familien ist das Prinzip der Sanftmut durchzusetzen, wenn man nicht bereit ist, auf vieles zu verzichten, was einem eigentlich zusteht. Hier in dieser Welt herrscht ein Kampf, bei dem jeder im Nächsten einen Konkurrenten sieht, den es auszuschalten gilt.
Und doch preist Jesus Christus die Sanftmütigen (nicht die Angstvollen) selig, weil sie die Gesinnung ihres Meisters ausüben, die er ihnen vorgelebt hat. Als er seine Jünger aufforderte, sein Joch auf sich zu nehmen und von ihm zu lernen, gab er als Begründung an: »denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig« (Matthäus 11,29).
Die jetzige Welt wird von der Sünde, vom Streit und von der Auflehnung gegen den Gott der Gnade und Liebe regiert. Wenn aber der König des Friedensreiches erscheint, gelten all die wunderbaren Tugenden, die er hier während seines Erdenlebens gezeigt hat, für alle Zeit.
Darum: Glückselig sind die Sanftmütigen!
Hermann Grabe