Kurz vor Karneval wurden die Kinder von der Erzieherin gefragt, in welcher Verkleidung sie vorhatten zu kommen.
Ein Kind wollte eine Prinzessin, eins ein Marienkäfer, ein anderes der Spiderman und auch eins der Teufel sein. Mich hat der letzte Wunsch sehr erschreckt, weil er zeigt, wie leichtfertig die Menschen über diesen Mörder der Seelen urteilen, der nun schon so viele tausend Jahre nichts als Leid und Not und Tod über die Menschheit gebracht hat. Sicher hatte das Kind diese Idee aus einer Reklamezeitung für Faschingskostüme oder von den Eltern erhalten. Und wir wissen alle, wie gern sich Kinder verkleiden. Dagegen wäre auch nichts einzuwenden, wenn die Kinder alles nur als fröhliches Spiel betrachten würden: Aber beim Karneval werden sie auf vielfache Weise in die Ansichten und Verhaltensmuster der Erwachsenen hineingezogen. Karneval heißt: Das Fleisch soll leben! Und mit »Fleisch« sind die Begierden gemeint, die man sonst hinter seiner bürgerlichen Fassade versteckt. In der letzten Zeit aber hat sich ein weiterer Wandel vollzogen: Aus dem Hübschen wurde das Lustige, und aus dem Lustigen das Boshafte und aus dem Boshaften wurde das Gruselige. Hexen, Wahrsager, Geister und Teufel treiben ihr Unwesen. Und die Kinder werden auf diese Weise an den Anblick des Scheußlichen gewöhnt. Fast hat es den Anschein, als könnten die Eltern gar nicht den Zeitpunkt abwarten, an dem ihre Kinder so sehr in die Welt des Bösartigen eingetaucht sind, dass sie für das Wahre, Freundliche, Liebe und Gute gar keine Antenne mehr haben.
Sehen wir uns einmal unseren Tagesvers an! Wäre es nicht doch schöner, wenn diese Gesinnung bei uns wieder deutlicher erkennbar würde?
Hermann Grabe