Es war vor ungefähr 40 Jahren in Amdorf, einem kleinen Dorf an der Jümme in Ostfriesland. Da brütete hier noch jährlich ein Storchenpaar. Weil auch damals schon diese herrlichen Vögel recht selten waren, wartete man im Frühjahr gespannt auf die Heimkehr des Storchenpaares aus Afrika, beobachtete und registrierte genau, ob das Nest wieder angenommen wurde und die Brut durchkam.
In dem besagten Jahr hatte eigentlich alles so gut angefangen: Das alte Pärchen war zurückgekehrt, das Nest war ausgebessert worden, das erste Ei bereits gelegt, als die Amdorfer - zunächst sehr erfreut - die Ankunft eines weiteren Storchenmännchens registrierten. Die Freude über den dritten Storch war allerdings nur kurz: zu ihrem Entsetzen mussten die Leute feststellen, dass von nun an Streit eingekehrt war bei Storchens und darüber das Brutgeschäft übel vernachlässigt wurde. Tag für Tag bekriegten sich die Männchen, dass die Federn nur so flogen. Das Weibchen hatte irgendwann aufgehört, sich um Nest und Ei zu kümmern und saß teilnahmslos auf dem Dach des Nachbarhauses. Selbst wenn man eines der Männchen abgeschossen hätte, was aber nicht erlaubt wurde, konnte eine erfolgreiche Brut in dem Jahr sowieso nicht mehr gelingen.
Zwei stritten sich - und für die ganze »Storchengemeinde« war nur Schaden entstanden. Und in der Gemeinde Jesu? Da geht es manchmal ähnlich zu: Lehrauffassungen über einzelne Bibelstellen, traditionelle Überlieferungen und persönliche Meinungen sind der vorgegebene Streitgrund - und im Endeffekt ist es häufig nichts als die alte Machtfrage: Wer ist der Größte?! Und dabei bleibt eins mit Sicherheit auf der Strecke: der Nachwuchs! Erwin Kramer