Am ersten Oktobersonntag wird hierzulande das sogenannte »Erntedankfest« gefeiert. Was soll ich damit anfangen? Zum einen habe ich weder Acker noch Garten und ernte dementsprechend nichts, sondern muss alles kaufen. Und zum anderen: Wem und wofür soll ich danken? Den Landwirten, den Exporteuren, den Händlern und den Marktfrauen? Alle bekommen ja schon mein gutes Geld für ihre Arbeit. So dachte ich früher, wenn ich »Erntedank« hörte, ohne auch nur ein bisschen Ahnung davon zu haben, mit wieviel Planung, Vorbereitung und harter Arbeit alles erwirtschaftet wird. Und dazu kommen noch manche Risiken und Unwägbarkeiten wie z. B. Witterung und Ungeziefer, die über das Ernteergebnis mitentscheiden. Aber all das ist ja nur die menschliche Seite. Wir haben es beim Ernten zuerst mit Gott zu tun, »denn Wachsen und Gedeihen liegt in des Höchsten Hand«. Wenn der Herr über Himmel und Erde nicht die Arbeit segnet, ist alle Mühe umsonst gewesen.
Ist alles Getreide, Obst und Gemüse geerntet, darf sich der Mensch freuen, also die »Ernte« feiern und dafür Gott danken. Das gilt aber nicht nur einmal im Jahr, sondern alle Tage und bei jeder Mahlzeit. Unser tägliches Brot ist nach wie vor Gottes Geschenk an uns.
Für Geschenke soll man danken. Danken kommt von Denken. So denke ich mitten im Überfluss unserer »Wegwerfgesellschaft« an die Hungertoten der Dritten Welt und an die Hungerjahre der Nachkriegszeit, die ich am eigenen Leib erlebt habe. Diese schlimme Zeit kann ich nicht vergessen. Und da sollte ich nicht für jede neue Ernte und mein tägliches Brot dem gütigen Gott von ganzem Herzen »Danke« sagen? Karl-Heinz Gries