»Ich würde ja glauben, wenn ich einmal so ein richtiges Wunder erleben würde! So eins, das man nicht mit der Vernunft erklären kann.« Hielte man unserem Zweifler eine blühende Mohnpflanze hin und behauptete, das sei doch so ein richtiges Wunder; denn wie kann solche Pracht in einem winzigen Mohnkorn stecken! Doch dann würde er – wenn er informiert wäre – von Desoxyribonuklein-Säure, von Redox-Systemen, von Enzymen und Chloroplasten erzählen. Und wenn er von Biologie keine Ahnung hätte, würde er dies Wunder als selbstverständliches Produkt der Evolution abtun.
Welche Sorte Wunder sucht er dann? Dass ein Todkranker gesund wird? Auch das wird ihn nicht zum Glauben bringen; denn immerhin gibt es ja die Statistik, die Gauß‘sche Normalkurve und das Gesetz der Großen Zahl. Danach müssen bei genügend großer Anzahl von Todkranken auch hin und wieder Gesundungen stattfinden. Und wenn ihm das zu hoch ist, weiß er doch, dass ein paar Straßen weiter einer an derselben Krankheit gestorben ist. Warum hat Gott den einen sterben und den andern gesund werden lassen?
Nein, solche Wunder bringen einen Zweifler nicht weiter. Das einzige Wunder, das ihm helfen könnte, läge darin, dass Gott ihm die Augen darüber öffnete, wie heilig und gerecht der Allmächtige und wie schlecht, egoistisch und lieblos er selbst ist. Danach würde er anfangen, nach einem Rettungsweg Ausschau zu halten. Und dann ist er endlich so weit, die Barmherzigkeit Gottes zu würdigen und dankbar anzunehmen, die er uns in seinem Sohn erwiesen hat. Das ist das einzige Wunder, das ihm helfen kann, aber es ist auch das größte Wunder, das es gibt.
Hermann Grabe