Damit hatte das Deutsche Rote Kreuz wohl nicht gerechnet. Als sie ihre Pläne für den Bau eines Hospizes in Hamburg offenlegten, wehrten sich einige der Anwohner gegen das Projekt. Sie sorgten sich um die Nachbarschaftsstimmung und fürchteten einen Wertverlust ihrer Häuser, der durch einen »Ort des Sterbens« entstehen könnte. Ein paar Anwohner engagierten sogar einen Anwalt, um gegen den Bau juristisch vorzugehen. In dem Anwaltsschreiben forderten sie zudem einen Sichtschutz, um sich den Anblick von Leichenwagen und ähnlich traurigen Dingen zu ersparen.
Obwohl solch ein engagiertes Auftreten gegen Einrichtungen wie ein Hospiz eher außergewöhnlich ist, so spiegelt es doch ein Stück weit die Haltung unserer Gesellschaft zum Tabuthema Tod wieder. Wir widmen uns lieber einem möglichst idyllischen und sorgenfreien Leben, als uns mit der unbequemen Tatsache auseinanderzusetzen, dass unser Leben hier einmal zu Ende geht. Wir fordern vielleicht keinen Sichtschutz, und doch bauen wir in unseren Köpfen Mauern gegen unangenehme Themen. Meldungen über Hungersnöte, Leid und Tod werden schnell überlesen oder bestenfalls mit einer kurzen Mitleidsbekundung gewürdigt. Während Hilfsorganisationen um Aufmerksamkeit ringen, erfreuen sich Spaß- und Musikvideos im Internet größter Beliebtheit. Stirbt dann doch einmal ein Verwandter, werden Beerdigungen zunehmend anonym abgehalten, um nicht zu viel Aufsehen zu erregen.
Große Persönlichkeiten der Bibel wie Mose oder Paulus hatten da eine andere Philosophie: Sie blickten dem Tod geradewegs ins Auge! Warum? Weil sie ihre Zukunft in guten Händen wussten. Denn man muss nichts verdrängen, wovor man sich nicht zu fürchten braucht. Sebastian Lüling