»Hilf, heilige Anna, ich will ein Mönch werden!«, schrie der 21-jährige Jura-Student der Erfurter Universität, als er sich in einem schweren Gewitter in Todesnot wähnte - es war genau heute vor 500 Jahren. Zwei Wochen später trat Martin Luther in das Kloster der Augustiner-Eremiten zu Erfurt ein. Was veranlasste den jungen Studenten, der bei seiner Begabung eine glänzende Karriere vor sich hatte, zum Verdruss seines Vaters den Weg frommen Verzichts zu gehen?
Die Einsicht, nach dem Tod als sündiger Mensch vor einem heiligen Gott nicht bestehen zu können, hatte ihn schon früh bewegt, so dass ihn der Gedanke, unvermittelt vor diesen richtenden Gott treten zu müssen, maßlos erschreckte. Und deshalb mühte er sich als Mönch, durch ein Leben härtester Askese den Forderungen Gottes einigermaßen gerecht zu werden. Aber froh wurde er darüber nicht. Die Frage: »Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?« ließ ihn nicht zur Ruhe kommen. Erst zehn Jahre später, als er als Theologie-Professor in Wittenberg seinen Studenten die Bibel auslegte, wurde ihm klar, dass alles menschliche Bemühen um Mehrung der Heiligkeit vergebens war. Gott hat uns in der Hingabe seines Sohnes schon alles geschenkt, »denn alle haben gesündigt und erlangen nicht die Herrlichkeit Gottes und werden umsonst gerechtfertigt durch seine Gnade, durch die Erlösung, die in Christus Jesus ist« (Römer 3,23f), und darum wird der »Mensch durch Glauben gerechtfertigt, ohne Gesetzeswerke«. Damit war die weltbewegende Reformation eingeleitet. Für uns selbst ist allerdings entscheidend, ob wir die Glaubenseinsicht eines Martin Luther ganz persönlich nachvollziehen können. Gerhard Jordy