»Wir Deutsche fürchten Gott, und sonst nichts in der Welt«, so hat Bismarck einmal im Reichstag gesagt. Der Satz ist auch in der heutigen Zeit immer wieder einmal zu hören, meist mit einer gewissen Herablassung, als wollte der Zitierende deutlich machen: »Um Gottesfurcht geht es uns heute nicht mehr, und so heldisch, wie sich der preußische Kanzler gab, wollen wir auch nicht sein. Wir sind friedlich auch ohne Gott.« Hätte man aber nur den ganzen Satz gelesen und zitiert, ergäbe sich ein anderes Bild. Da heißt es nämlich weiter: »... und die Gottesfurcht ist es schon, die uns den Frieden lieben und pflegen lässt.«
Wenn man beide Teile zusammennimmt, hört sich das schon ganz anders an. Da wird nämlich deutlich, dass Bismarck sich bei der Frage nach Krieg und Frieden nicht nur dem Kaiser als oberstem Herrn verantwortlich fühlt, sondern einem noch höheren, nämlich Gott. Das mussten die Abgeordneten und die Öffentlichkeit als Bekenntnis wahrnehmen, es zeigt einen ganz anderen Bismarck, wenn man diesen Nachsatz nicht weglässt.
Meistens wollen wir mit Zitaten etwas erreichen. Böse ist es, wenn wir sie verkürzen oder verlängern, um den Zitierten herabzusetzen.
Wenn Paulus im Tagesvers von dem redet, was einen Christen zieren sollte, stellt er die Liebe zur Wahrheit an die erste Stelle. Sie sollte in unserem Leben diesen hohen Rang haben, denn einerlei, ob uns im Augenblick eine bestimmte Wahrheit »schmeckt« oder nicht, sie und nicht die Unwahrheit wird am Ende Bestand haben. Mit Lügen kann man Menschen eine Weile täuschen, Gott aber niemals, und wir werden alle einmal vor ihm erscheinen müssen. Wie gut ist es dann, seiner Wahrheit die Ehre gegeben zu haben, die ihr zukommt. Karl-Otto Herhaus