Vor einiger Zeit traf ich einen Hirten, der mitten zwischen seinen mehreren hundert Schafen stand. Erst meinte ich, er träumte so vor sich hin, dann aber wurde mir klar, dass er alles im Blick hatte und jederzeit zum Eingreifen bereit war.
Schnell entwickelte sich ein interessantes Gespräch, bei dem ich merkte, dass ihn so manche Sorgen plagten. Für die Wolle bekam er fast nichts, und mit den verkauften Tieren konnte er nur knapp seine Familie ernähren und Futter für den Winter kaufen. Er war eigentlich ein frommer Mann; aber die Sorgen des Lebens hatten ihm alle Freude am Dasein geraubt. So stand er betrübt und niedergeschlagen da.
Nun zeigte ich auf eins der Schafe und fragte ihn, ob das Schaf wohl auch besorgt sei, ob es morgen noch etwas zu fressen finden wird. Da wurde er ganz lebhaft und rief empört: »Das wäre ja noch schöner, wenn das Schaf so wenig Vertrauen zu mir hätte, dass es mir zutraut, ich würde es morgen hungern lassen. Ich habe doch nichts anderes als sein Wohl im Auge!«
Wenn schon ein irdischer Hirte solch eine Liebe zu seinen Tieren hat, wie viel mehr der Herr Jesus Christus, der sich selbst »der Gute Hirte« nennt und sein Leben für seine Schafe gegeben hat! Von dem konnte ich jetzt zu ihm sprechen und ihn an den Psalm 23 erinnern, den er natürlich auswendig kannte: »Der HERR ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Er lagert mich auf grünen Auen, er führt mich zu stillen Wassern.« Und auch vom gedeckten Tisch ist da die Rede.
Aber leider bin ich selbst - und nicht nur dieser Hirte - manchmal dümmer als ein Schaf und lasse es an dem Vertrauen fehlen, dass es auch mir nie an etwas wirklich Nötigem mangeln wird. Hans-Peter Grabe