Eine imposante Erscheinung, dieser General: Die schwere Rüstung erzählt Geschichten von unzähligen Schlachten, die klugen Gesichtszüge lassen den geschickten Strategen vermuten, der entschlossene Blick verrät den ungeheuren Mut und die zahlreichen Orden sprechen von dem unermesslichen Ruhm des großen Feldherrn. Der Anblick Naamans fordert Achtung von jedem Betrachter. Ehrerbietig schaut man zu ihm auf. Man hofft, diesen Mann niemals zum Feind zu haben. Keiner käme auf die Idee, dass mit diesem Kriegshelden etwas faul sein könnte, dass hinter der Fassade Erschreckendes zum Vorschein kommen könnte.
Dennoch, zwei Worte genügen, um unserer Vorstellung von diesem Mann einen gehörigen Knacks zu geben: »… aber aussätzig.« Was so beeindruckend schien, zerschmilzt mit einem Mal wie Wachs. Aussatz, also Lepra, war ein vernichtendes Urteil. Es bedeutete für Naaman den sicheren Tod. Wie musste es ihm damit ergangen sein? Andere hatten maßlosen Respekt vor ihm, war er doch der gefeierte Kriegsheld – ihm selbst aber war seine erschütternde Realität bewusst: Ich muss sterben! An der Fassade dieses Mannes hingen noch die vielen Orden. Aber wird ihm selbst das noch etwas bedeutet haben?
Wir Menschen sind geschickt darin, das verborgene Elend unseres Lebens zu vertuschen. Doch wir alle haben sie, die unschönen Geheimnisse, von denen wir hoffen, dass sie niemals ans Tageslicht treten: der »kleine Seitensprung«, die paar ausgestreuten Gerüchte, die täglichen Notlügen. Gott nennt diese Dinge Sünde. Er möchte, dass wir die Sünden unseres Lebens loswerden; die offensichtlichen Dinge, aber auch das, was hinter der Fassade steckt. Michael Bühne