Jedes Feuer fängt klein an. In seltenen Fällen ist nicht einmal ein Streichholz nötig. Ein Tautropfen kann schon genügen, wenn er im Sonnenlicht zu einem »Brennglas« wird. Kommt niemand rechtzeitig darauf zu, kann daraus ein riesiger Waldbrand werden.
Nun sagt unser Tagesvers, dass die Zunge ein solches Feuer sei, klein, aber höchst gefährlich. Und wer hätte nicht schon erlebt, wie die Atmosphäre in einer Gemeinschaft durch gezielte Falschmeldungen oder auch durch Gerüchte vergiftet wurde! Es gehört nicht viel dazu, dass jeder jedem misstraut, wenn man den ausgestreuten Warnungen Glauben schenkt, noch dazu wenn sie mit treuem Augenaufschlag und der Beteuerung vorgetragen werden, dass man ganz erschüttert über das Vorgefallene sei.
Förster oder Spaziergänger werden das beginnende Feuer sofort austreten und möglichst noch Wasser darauf gießen. So sollten auch wir uns die jahrelange Erfahrung zuverlässiger Zusammenarbeit nicht auf solche Weise zerstören lassen, sondern den aufkeimenden Argwohn bekämpfen. Das Beste ist, mit dem Betreffenden gleich selbst zu reden; dann wird meistens sofort klar, wie die Sachen wirklich stehen.
Und wenn etwas an der Sache dran ist? Auch dann kann ein offenes Wort nicht nur Klärung, sondern auch Hilfe bedeuten. Und der Schwätzer? Ihm sollten wir sagen, dass er »mit dem Feuer spielt«. Aber auch ihm müssen wir die Chance einräumen, es fortan besser machen zu können. So macht Gott das nämlich auch mit uns, wenn wir ihm unser Versagen eingestehen. Wie viel »Feuer« hat er schon ausgelöscht, das wir gelegt hatten!
Hermann Grabe